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Kulinarische Reise durch Neukölln

Von Birgit Leiß, Flughafenzeitung, Quartiersmanagement Flughafenstraße

Morgens um 7 Uhr liegt der Flughafenkiez noch im Halbschlaf. Die meisten Geschäfte haben noch geschlossen, der Verkehr auf der Karl-Marx-Straße fließt vergleichsweise gemächlich und auf den Gehwegen sind nur wenige Passanten unterwegs. Nur in der Filiale der „Back –Factory“ in der Karl-Marx-Straße herrscht bereits Hochbetrieb. Bei Preisen von 60 Cent für eine Brezel und 99 Cent für ein belegtes Brötchen nimmt man auch gern die fehlenden Teller und die Selbstbedienung in Kauf. Eine junge Frau mit Kopftuch und Kinderwagen trifft sich hier mit einer Freundin, ein türkisches Ehepaar lädt sich Brötchen, süße Teilchen, Tee und Kaffee aufs Tablett. Die Filialleiterin erzählt, dass viele Kunden vor der Arbeit hier frühstücken: „Viele hätten gern, dass wir schon um 6 Uhr statt um halb sieben aufmachen.“

Ein paar Schritte weiter, in der Boddinstraße, laufen derweil viele Kinder mit Schulranzen den Hang hinauf. Einige werden auch von ihren Eltern mit dem Auto gebracht. Zielstrebig gehen sie ins Souterrain der Hermann-Boddin-Schule, dort gibt es täglich ein Frühstück für alle Schüler. Drei ältere Damen haben bereits Käse- und Wurstscheiben, Brot und Cornflakes hergerichtet. Die Kinder bedienen sich selber und setzen sich mit ihrem Teller an die Tische – Jungs und Mädchen natürlich getrennt, wie es sich in diesem Alter gehört. „Viele Kinder bekommen zu Hause kein Frühstück“, berichtet eine der ehrenamtlich tätigen Frauen. Sei es, weil die Eltern zur Arbeit hetzen müssen und keine Zeit dafür haben oder weil man sich in der Familie einfach nicht darum kümmert, dass die Kinder nicht mit leerem Magen zur Schule gehen. Das Frühstück ist kostenlos, bezahlt werden die Lebensmittel über das Projekt „brotZeit e.V.“. Auch die Einrichtung des Frühstückraums wurde darüber finanziert. Obwohl es sich um einen Keller handelt, wirkt er durch die bunten Tische und Stühle gemütlich. An der Wand hängen Bilder von Obst- und Gemüsesorten, sie wurden von den Kindern selber gemalt.

Dass sie hier vor Unterrichtsbeginn etwas zu essen bekommen, finden alle Kinder klasse. Außerdem kann man sich so mit der Freundin noch über all die wichtigen Dinge austauschen, die seit gestern passiert sind. „Es müsste immer Nutella geben“, bemängelt ein Mädchen. Zwei „Nutella-freie“ Tage wurden eingeführt – schließlich soll der Start in den Tag gesund sein.

Das Projekt „brotZeit“ wurde von der Schauspielerin Uschi Glas ins Leben gerufen, mittlerweile sind über 70 Schulen in ganz Deutschland beteiligt.

Gesund oder gar kalorienarm sind die Backwaren in der bulgarischen Bäckerei ein paar Häuser weiter nicht unbedingt. Dafür lässt die Auslage im Schaufenster wohl jedem das Wasser im Mund zusammenlaufen: frische Hefetaschen und andere Teilchen, süß oder mit Käse. Die Bäckerei in der Boddinstraße 59 gibt es erst seit ein paar Monaten, die Inhaberin erklärt, dass die meisten Sachen den türkischen Backwaren, zum Beispiel Börek, nicht ganz unähnlich sind. Daher hat sie auch einen türkischen Bäcker eingestellt, er beherrscht die Technik des Teigausrollens perfekt. Neben Backwaren gibt es auch original bulgarische Kekse, Schokolade und Paprikapaste. Geöffnet ist übrigens schon ab vier Uhr morgens. Wer um vier Uhr morgens hier eine Hefetasche kauft? „Naja, wir sind ja sowieso um diese Zeit schon in der Backstube“, meint die Chefin. Hier werden nämlich keine Rohlinge in den Ofen geschoben, hier wird noch täglich frisch gebacken.